Mein Jahresrückblick 2024
2024 war ein sauanstrengendes Jahr, das mir streckenweise ziemlich an die Substanz gegangen ist.
Und ein wenig war das bestimmt auch selbstverschuldet, weil ich mir mehr Projekte aufhalste, als für eine Einzelperson eigentlich tragbar und gesund gewesen wären.
Und weil ich mich mit einem Herzensprojekt ein wenig verrannt habe…
Wenn der Workflow zum Teufelskreislauf wird
Meine Online-Plattform HOME war in seiner ursprünglich erdachten Form sicher originell: jede Woche neuer Videocontent, jeden Monat ein wechselnder Themenfokus mit eigens dafür kreierten Selbstcoachingtools und Journalingaufgaben – aber nach einem Jahr laufender Produktionsmaschine im Alleingang musste ich einsehen, dass es für mich alleine nicht zu bewerkstelligen ist.
Nicht, wenn ich nebenher noch Zeit für die Einzelarbeit und Stimmworkshops haben möchte.
Nicht, wenn sich meine Freundinnen noch an mich erinnern können sollen, weil man sich nur noch so selten sieht.
Nicht, wenn HOME am Ende auch das erwirtschaften soll, was an Zeit, Energie und Produktionskosten in die Arbeit fließt.
Der Vertrieb von Online-Produkten, das musste ich in den letzten beiden Jahren lernen, verschlingt, wenn man’s ernst meint, mindestens noch einmal so viel Zeit, wie die Produktion.
Mindestens.
Marketing ist nichts, was man einfach so nebenher macht. Wer bei anderen, auch kleineren Brands und Influencer:innen mal ein bisschen hinter die Kulissen schauen durfte, weiss, dass da manchmal ein ganzes Team und richtig viel Budget am Start sind. Beides liegt außerhalb meiner Reichweite.
Ganz abgesehen davon, dass ich momentan auch gar kein Team aufbauen wollte. Nach sieben Jahren eingebunden sein und Verantwortung tragen für ein Team in meinem alten Job genieße ich es immer noch sehr, so ungebunden zu sein und flexibel agieren zu können.
Die Reissleine zu ziehen kostete Überwindung, aber brachte sofortige Erleichterung – und Klarheit
Im Frühherbst habe ich realisiert, dass ich HOME in seiner bisherigen Form nicht mehr fortsetzen kann und habe die Memberships schweren Herzens gekündigt. Es hat sich trotz des positiven Feedbacks und den Danksworten, die ich von den Mitgliedern bekommen habe, wie ein Scheitern angefühlt und auch wie ein Verlust von etwas, das ich nicht bereit war zu verlieren.
In der Reflexion und Evaluation habe ich aber auch eingesehen, dass mein Anspruch, jeden Monat etwas Neues anzubieten und maximalen Mehrwert zu liefern, zum Teil auch aus einer persönlichen Unsicherheit resultierte.
Die Konditionierung auf Leistung kann problematisch werden
Ich wollte mich nicht verdächtig machen, zu wenig „abzuliefern“ und wollte vermeiden, dass jemand das Gefühl haben könnte, nicht genug für sein Geld zu bekommen.
Dabei befeuerte ich mit dieser Produktionswut aber eigentlich etwas, wofür ich gar nicht stehen möchte und was wir überall im Außen vorfinden und das ist Überproduktion. Ein Überangebot an Möglichkeiten, das am Ende zu Sinnesüberreizung, Zerstreuung und Überforderung führt.
Während ich mich beruflich ziemlich getrieben und gehetzt fühlte, hat sich meine persönliche Praxis 2024 durch die Prozesse, die Continuum1 in mir angestoßen hat, radikal verlangsamt und meinen Blick für Wesentliches noch einmal geschärft.
Wenn wir uns immer wieder ehrlich bei allem fragen: Worum geht es denn hier im Wesentlichen wirklich, was ist das Essenzielle – dann und nur dann kommen wir aus diesem Teufelskreislauf aus zu viel, zu schnell, zu laut, raus.
Und wir müssen aus diesem Teufelskreislauf raus.
Ich kenne kaum Menschen in meinem Umfeld, die nicht über stressbedingte Störungen und Symptome klagen.
Ein System ist mehr als die Summe seiner Teile
Die Herausforderung ist nur die: auch wenn es uns im Umgang mit uns selbst, in unserem persönlichen Umfeld, unseren häuslichen Alltagsroutinen und bei der Gestaltung unserer familiären und freundschaftlichen Beziehungen gelingt, freundlicher zu uns selbst und anderen zu sein, uns auf Essenzielle zu fokussieren und zu entschleunigen, so sind wir doch immer noch den zentrifugalen Kräften des Systems ausgesetzt, in dem wir alle leben und operieren.
Die Konditionierungen, immer mehr haben zu wollen und schneller und besser sein zu wollen als die anderen, sitzen in vielen von uns tief seit Kindheitstagen drinnen. Die sogenannte Leistungsgesellschaft profitiert davon, Menschen im Wettkampfmodus gegeneinander und gegen sich selbst auszuspielen.
Die Folgen davon, Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, stressbedingte Schmerzsymptomatiken und depressive Verstimmungen erlebe ich Woche für Woche im Kontakt mit meinen Klient:innen und Kursteilnehmer:innen.
Es ist richtig und wichtig, auf sich selbst zu achten, eigene Selbstfürsorgerituale zu pflegen, die persönlichen Grenzen zu wahren und achtsam mit seinen persönlichen Ressourcen umzugehen.
Und doch brauchen wir auch auf gesellschaftlicher Ebene einen Wandel der Arbeits- und Leistungskultur und – in vielerlei Hinsicht – einen achtsameren Umgang mit Ressourcen. In einzelnen Branchen gibt es zaghafte Veränderungen hin zu menschenfreundlicheren Arbeitsbedingungen und einem humaneren Umgang miteinander, aber für einen größeren Wandel wird es noch viel Ausdauer und Beharrlichkeit benötigen.
HOME sickness macht sich breit
In den letzten Wochen seit Schließung von HOME habe ich gemerkt, wie sehr mir das Filmen und der kreative Prozess vom Konzipieren bis zum Publizieren von neuem Material fehlt und dass ich es nicht bei der Schließeung von HOME belassen möchte.
Denn ich glaube immer noch an die Kernphilosophie und die Grundsäulen von HOME: den Körper als zuhause und erste Heimat annehmen, eine individuelle, tagesformabhängige Praxis etablieren, die sich an deinen Bedürfnissen orientiert, zunehmend an Autonomie gewinnt, wenn die Verbindung zu deinem Körper gestärkt ist und für die du deine eigenen vier Wände nicht verlassen musst.
Ich muss aber selbstkritisch einsehen, dass mir der Blick fürs Wesentliche in meinem Übereifer unter Leistungsdruck dieses Jahr verloren gegangen ist.
Scheitern umgedacht: von fail zu snail
Im Englischen lässt sich das Verb für scheitern, „fail“, als Akronym von „first attempt in learning“ verstehen, also: erster Lernversuch.
Ich habe meine Lektion gelernt.
Und bin bereit für einen SNAIL: „second neat attempt in learning“ (zweiter aufgeräumter Lernversuch).
Und möchte Anfang 2025 HOME (als Version 2.0) in einer überarbeiteten Form, mit Fokus auf das Essenzielle, wiedereröffnen.
In einer entschleunigten Version, die Mitgliedern noch mehr Zeit gibt, mit dem Material zu arbeiten, statt von Monat zu Monat den Fokus auf etwas anderes zu richten.
Mein Motto für 2025 lautet:
Lange Weile währt lang.
Und was lange währt, wird endlich gut.
- eine somatische Methode, mit der ich mich seit 2023 beschäftige ↩︎