Eine literarische Annäherung
Magdalena Fötschl
Die Beziehung zum eigenen Körper zu verbessern ist eines der Hauptanliegen, mit denen Klient:innen zu mir ins Coaching kommen.
Und glücklicherweise gelingt das auch immer – wenn auch nicht instant auf Knopfdruck.
Denn wie jede Beziehung braucht auch jene zwischen Verstand und Körper Zeit, Geduld, Vertrauen und Zugewandtheit um gedeihen und wachsen zu können.
Aber warum ist die Beziehung zwischen Verstand und Körper überhaupt so kompliziert und störungsanfällig, wo es doch – rein logisch betrachtet – das Einfachste und Naheliegendste der Welt sein müsste, sich selbst anzunehmen und zu mögen?
Neulich kam mir eine kleine Geschichte dazu in den Sinn.
Vielleicht setzt sie bei dir etwas in Gang, um die Beziehung zwischen deinem Verstand und Körper zu überdenken, oder gar, etwas an ihr zu verändern.
Kennst du solche Paare, bei denen einer der Partner nichts anderes macht, als den anderen laufend zu kritisieren und runterzumachen? Am besten vor Publikum? Als Außenstehende finde ich es unangenehm, solche Szenen zu beobachten und möchte gerne zurufen: „Ja dann trenn dich doch! Bitte!!“
Verstand und Körper führen manchmal so eine Paarbeziehung, bloß lassen sie sich nicht so einfach trennen, selbst wenn sie gefühlt bereits seit Jahrzehnten in Scheidung leben und gerne lieber getrennte Wege gehen würden.
So bleibt nur zu tun, was Paare eben tun, wenn zwar eine Krise im Raum steht, aber Trennung kein Thema ist: Paarcoaching! 😀
In einem Paarcoaching besteht die erste Lektion meist darin, zu lernen, sich (wieder) zuzuhören und auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen.
Die Bedürfnisse des Körpers sind eigentlich recht unprätentiös, einfach: er möchte nicht verletzt werden und dass man sich um ihn sorgt oder zumindest Rücksicht auf ihn nimmt, wenn er krank ist oder ihm etwas weh tut. Er mag Freizeitaktivitäten und bewegt sich eigentlich ganz gerne.
Wenn man ihn denn lässt – und ihn nicht zwingt.
Und er ist ein Verfechter des „leiblichen Wohls“.
„‚Leibliches Wohl‘… wie das klingt.. Wie von einer altertümlichen Eröffnungseinladung einer Kreissparkasse runtergelesen: ‚fürs leibliche Wohl ist gesorgt‘“, lästert der Verstand und verdreht überheblich die Augen.
„Ich habe halt eine einfache Art, um mich auszudrücken!“ verteidigt sich der Körper und in der Aufregung rutscht ihm ein Furz raus.
„Sehen Sie?!“ schreit der Verstand entsetzt in Richtung der Coachin – „und mit DEM da soll ich meine Lebensträume verwirklichen?!“
„Ich denke halt nicht so kompliziert wie du!“ verteidigt sich der Körper und seine Magensäfte beginnen zu brodeln.
„Was haben SIE denn für Ansprüche und Wünsche an ihre Beziehung?“ fragt die Coachin in Richtung Verstand und dieser beginnt gleich eine ganze Liste runterzurattern, die er mit anderen Hirnen „gebrainstormt“ hat.
„So nennen die das, wenn die unter sich sein und ‚wie Erwachsene über komplizierte Gedankenkonstrukte philosophieren möchten'“, brummelt der Körper. „Dabei waren die Vorfahren meiner Darmzellen schon auf der Welt und haben Kulturaustausch betrieben, lange bevor es Gehirne und ihre ‚gehobene Kultur‘ gab“, äfft er weiter.
Die Liste an Wünschen und Anforderungen des Verstandes hat die Ausmaße einer Weihnachtswunschliste eines unersättlichen Zehnjährigen. Nachdem sie sorgsam aufgedröselt wurde, um die Bedürfnisse hinter all diesen Wünschen zu verstehen, sind nur drei Sachen übrig geblieben.
„Sie wollen sich also sicher, wertgeschätzt und lebendig fühlen?“
Der Verstand nickt und eine Zuckung durchfährt sein limbisches System.
„Ich habe nie schlecht von dir gedacht!“ ruft der Körper aufgeregt – „ich kann ja gar nicht … denken.“
„Kann es sein, dass diese Unsicherheiten und das Gefühl mangelnder Wertschätzung ein Resultat aus ihren Gesprächen mit anderen Gehirnen ist?“ fragt die Coachin.
„Die machen auf ihren „Brainstorming Treffen“ nichts anderes, als sich miteinander zu messen, zu vergleichen und gegenseitig runterzuziehen. Und mich ziehen sie auch durch den Dreck und machen sich über meine Fettdepots lustig. Dabei ist das halt meine Art, Rücklagen zu bilden und für die Zukunft vorzusorgen“, mischt sich der Körper ein.
„Welche Form der Sicherheit können SIE denn Ihrem Partner geben?“ fragt die Coachin in Richtung Körper.
„Welche Form?! Mein ganzer Lebensinhalt besteht darin“, antwortet dieser auf die rund 30 Billionen Zellen seiner Leibmasse deutend und verfällt in einen Redeschwall:
„Ich tu den ganzen Tag, die ganze Nacht nichts anderes, als mich um die Sicherheit zu sorgen. Keime, Bakterien Viren – manchmal muss ich im ÖNPV sogar körperliche Nahkämpfe austragen, um das Gehirn vor versehentlichen Ellbogenboxern gegen die Schläfe zu schützen. Bei dem Verkehrsunfall vor ein paar Jahren, als der Verstand und sein heißgeliebtes Gehirn zutiefst erschüttert waren, habe ich ALLES darauf gesetzt sie so schnell wie möglich wieder heile werden zu lassen! Ich habe sogar meine Verdauung dafür runtergefahren. Hat man es mir gedankt?! Neee. Es hagelte Beschwerden, dass der ‚Stoffwechsel eingeschlafen‘ sei!“
„Stimmt das?“ fragt die Coachin.
Der Verstand nickt beschämt.
„Und von wegen mangelnder Wertschätzung“, bringt sich der Körper weiter in Rage während seine Temperatur stetig steigt. „Ich habe niiiie schlecht über dich geredet. Niiiie! Ich kann überhaupt nicht … reden. Also zumindest nicht so, wie du das machst. In spitzfindigen Beleidigungen die durch Mark und Bein gehen und die weh tun. Ich habe dich nie ‚fettes Schwabbelhirm‘ genannt, obwohl das faktisch sogar richtig wäre, denn das Gehirn besteht zu 60% aus Fett! Ich halte den Laden hier am laufen, selbst wenn du dir die irrsinnigsten Sachen in den Kopf setzt und mich mit deinem Egoismus und Unsicherheiten malträtierst und in Gefahr bringst: Size Zero Diät, nix zu essen, aber 5 Liter Kaffee pro Tag, Sonnenbrand und Laserstrahlen bis in die Hypodermis, ‚man könnte ja mal Botox in Erwägung ziehen..‘ – Warum, frag ich dich – warum? Damit man dir das Denken nicht ansieht??? Bist du nicht dafür gemacht, um zu denken?? Denkst du denn überhaupt mal ein Stück weiter, als bis zum Hals?? Pulver, Pillen und Eiweißshakes, aber nichts zum Kauen zwischen den Zähnen – meine Lactobazillenstämme sind ausgehungert! Nichts als Arbeit, Arbeit, Arbeit. Wo sind die Spiele? Wo das Brot? Nicht mal eine Krumme Weißbrot gönnst du uns, wenn dich zu Neujahr mal wieder die ’sportliche Disziplin‘ packt. Dann beschenkst du uns mit einem Fitnessstudio-Abo inklusive Sehnenriss aus Überambition drei Wochen später und dann heißt es wieder 11 Monate Regungslosigkeit im Bürostuhl bis der Zirkus wieder von vorne losgeht. Und weißt du noch? Das Survival Bootcamp Training zur Midlife Crisis, um ‚dich mal wieder richtig lebendig zu fühlen‘?? Danke, ich fühlte mich auch schon lebendig bevor du mich an meine Kapazitätsgrenzen gepusht und völlig anlasslos den Notstand ausgerufen hast. Die Nervenstränge auf T12 erfüllte es noch heute mit kaltem Schauer, wenn sie ‚Eye of the tiger‘ im Radio hören. Es tut mir Leid, dass bei dir da oben so selten etwas von unserer Lebendigkeit hier unten ankommt!!!“
Der Körper schnauft schwer.
„Es tut mir ehrlich Leid“, beteuert der Verstand.
Schweigen.
Der Atem des Körpers erholt sich langsam.
„Ich mag dich trotz allem – und genau das ist mein Problem“, erwidert er nun. „Ich mag dich, selbst wenn du gemein zu mir bist. Aber noch viel lieber mag ich dich, wenn du es nicht bist. Wenn du bei mir bist und nichts an mir auszusetzen oder zu bemängeln hast, sondern mich akzeptierst, so wie ich bin. Das ist für mich das Größte.“
Das limbische System des Verstands beginnt nun unkontrolliert zu bibbern und zu schluchzen.
„Gibt es denn Momente oder Aktivitäten, bei denen sie sich gemeinsam lebendig fühlen und die sie gemeinsam genießen können?“ meldet sich die Coachin wieder zu Wort.
„Als wir früher gemeinsam tanzen oder wandern gingen. Ganz ohne Zeit- und Leistungsdruck, zum puren Vergnügen, das war schön“, erinnert sich der Verstand.
„Ja, das war schön“, seufzt der Körper und zwei Tränen kullern über die erhitzten Wangen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann tanzen und wandern sie noch heute gemeinsam durch die Welt.
Körperorientiertes Coaching & Ressourcenarbeit
In einer körperorientierten Coachingsession nutzen wir neben Bewegungsimpulsen und Wahrnehmungsübungen oft innere Bilder, körpereigenen Klang und kreative Wortschöpfungen, um den Körper in seiner eigenen Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten zu fördern und die Verbindung zwischen Körper und Verstand zu kräftigen und zu nähren.